Das Beste, was dem jungen Budapester Computerspezialisten Ambrus Tovishazi geschehen konnte, war, dass er seinen Job verlor, sich fortan voll der Musik widmen konnte.
DJ beim legendären «Tilos Radio», ist der Multi-Instrumentalist in Ungarn am bekanntesten geworden mit den von den Einstürzenden Neubauten inspirierten, mit ihrem wirren Elektro-Pop erfolgreichen Amorf Ördögök, einer achtköpfigen Gruppe, bei welcher er Keyboard spielt. Daneben produziert er unter diversen Namen in verschiedenen Stilen Stücke für den Dancefloor, war Teil der Crate Soul Brothers, mit welchen eine schräge Mischung aus Osteuropäischem Jazz, verdrehtem Funk, Geräuschen aus der Klangbibliothek, und baltischen Breaks unter die Leute gebracht wurde.
Der sich gerne als Surrealisten bezeichnende kehrt nun als Erik Sumo zurück, und legt mit «My Rocky Mountain» ein Album vor, welches wahrlich unvereinbar scheinende Realitäten auf einer dritten Ebene zu etwas Neuem zu vereinen im Stande ist.
Da werden genüsslich Clichés aus Morricones Spaghettiwestern-Soundtracks zitiert, inklusive perkussivem Hufgeklapper zu Polkas mutiert, bis der Zug abgeht in Richtung abgehobenen Elektro-Pop. Von Latin-Rhythmen über Psychedelik und Rock, Funk, Jazz, Disco, Drum’n’Bass, Reggae, Flamenco, Balkan-Folk, Asiatische Tradition, Klassik, das ganze Sound-Effect-Department, es gibt in dieser überdrehten musikalischen Zeit- und Welt-Reise kaum etwas, was nicht seinen Anklang findet.
Was das Ganze zusammenhält, ist die durchgehende Soundtrack-Qualität, mit viel Witz aus Hörgewohnheiten gewachsene Erwartungen unterwandernd. Und dann sind da die zwei wunderbaren Frauenstimmen von Julie Fabian, welche die eher melancholischen Parts übernimmt, und Erzsi Kiss, welche in einer selbst erfundenen Kunstsprache singt. Selbst wenn sie «Friday in France» besingt, begleitet von Cabaretmusik aus dem B-Picture-Horrorfilmdepartement, heisst kein Wort etwas.
Er wolle das Ding international halten, meint er, deshalb die englischen Texte. Er habe allerdings das Gefühl, dass Englisch Sprechende von ihnen vor den Kopf gestossen sein würden. Unschlagbar, von wegen: Das verregnete Cover von Gershwin’s Klassiker «Summertime», von Julie Fabian mit umwerfendem Akzent dargebracht.
Schlagzeuger und Perkussionist sind die alten Kumpels von Amorf Ördögök, der Gitarrist und der Bassist sind beide als Gitarristen in der ungarischen Independent-Szene nicht Unbekannte. Ambi, wie er genannt wird, der die Band am Keyboard und mit der Stimme vervollständigt, hat es gut: Sein Studio in Budapest ist über einer Ballet-Schule gelegen. Fehlt es ihm an Inspiration, geht er einen Stock tiefer, bei Kaffee und Zigaretten den Ballett-Elfen zuschauen. Dann geht er wieder voller Elan an die Arbeit in seinem wohlbeschäftigten Studio. Das ist Erik Sumos «My Rocky Mountain» anzuhören. Und, hm, nehmt genug Geld mit, denn ihr werdet nicht ohne das Album das Konzert verlassen wollen.