Am 14. März 2025 erscheint „Konstrukt 5“. Das neue Album des Wiener Indie-Kammerpop-Kollektivs Buntspecht ist von radikal wilder Schönheit und wahnhaft-psychedelischerIntensität beseelt. So spenden Buntspecht Zuversicht und Wärme in finsteren Zeiten.
Die Verwirrung beginnt beim Titel: „Konstrukt 5“ heißt das neue Album der Wiener Gruppe Buntspecht, und man bezieht das natürlich direkt auf die Anzahl ihrer bisherigen Alben, bis einem auffällt: „Konstrukt 5“ ist das sechste Buntspecht-Album, nicht das fünfte. Damit ist dann also gleich schon mal klar, dass man Buntspecht mit spießigem Ordnungssinn oder überhaupt irgendeiner klassischen Kategorie nicht beikommen kann.Viel wichtiger zum Verständnis der Gruppe Buntspecht ist ohnehin das Wort vor der Zahl: Ein Konstrukt, also laut Duden –und jetzt wird’s leicht umständlich! –eine „Arbeitshypothese oder gedankliche Hilfskonstruktion für die Beschreibung erschlossener Phänomene“, ist insofern stets und immer alles, was Buntspecht machen, weil dieser Musik automatisch etwas Temporäres, Instabil-Fragiles immanent ist, darin liegt ihr Reiz. Es geht um die Kraft und den Zauber des Moments, darum, was jetzt und gerade ist und was man daraus machen kann. Spoiler: Eine Menge! Die ohnehin ziemlich hohe, bisweilen aufs Angenehmste an Hamilton Leithauser erinnernde Stimme von Lukas Klein kippt zu Beginn der ersten Single „Im Fluss“ einen kurzen Moment beinahe ins Hysterische, wenn er singt: „Ganz egal, was der Morgen bringt, ganz egal.“ Kein Wunder: Man muss ja wirklich komplett bescheuert, hysterisch, wahnsinnig sein, um in diesen Zeiten allen Ernstes zu behaupten: „Heute ist es schön, ja alles ist im Fluss, heute ist ein guter Tag“, weshalb Lukas sich beeilt hinterherzusingen: „Alles geht den Fluss hinab“. In diesem Spannungsfeld bewegt sich Konstrukt 5Im auslaufenden Winter2024 traf sich zunächst der Sänger und Gitarrist Lukas Klein mitFlorentin Scheicher (Klavier, Gesang, Trompete) zu einer ersten Session in einem alten Haus von Kleins Familie am Fuße des Rax-Gebirges, die den Grundstein für „Konstrukt 5“ legen sollte. Auf den Kuppen lag noch Schnee, in den Tälern spross das erste Grün, die Luft war klar, die Köpfe waren frei. Der Vibe für diese Session war: Beim geringsten Gefühl des Widerstands oder Unwillens wird die Idee liegen gelassen und einer anderen nachgegangen. Es ging den beiden Musikern, um radikale Leichtigkeit. „Wir haben uns dort eine Woche eingeschlossen und hatten eine Menge Spaß“, erzählt Lukas Klein. „So haben wir jeden Tag von neun Uhr morgens bis drei Uhr nachts an Songideen gearbeitet.“ Layer und Samples aus diesen Sessions haben ihren Weg unverändert auf das finale Album gefunden, also kleine Konstrukte, wenn man so will. Diese Miniatur-Artefakte bildeten die Basis eines Albums, das schließlich–wie immer bei Buntspecht -gemeinsam in der angestammten Besetzung aus Antonia Luksch (Cello, Gesang), Roman Geßler (Saxofon), Florian Röthel (Schlagzeug) und Jakob Lang (Bass) ausgearbeitet, um weitere Songs ergänzt und im Studio eingespielt wurde.
Stimmungen und Komposition waren dabei beinahe wichtiger als die Texte, Melodien standen im Vordergrund:„Der Text hat sich diesmal oft aus der Komposition ergeben“, sagt Lukas, „sonst war es meist andersrum: Die Musik hatte den Texten zu folgen.“ Eine Arbeitsweise, die die gesamte Band als überaus befreiend empfunden hat, weil sie ganz und gar in der Musik aufgehen konnten. Die Arbeit an Songs geschieht bei dieser Band also immer noch überwiegend intuitiv, beinahe unbewusst. Und vielleicht verdankt das Album ja auch diesem Ansatz seine Bittersweetness.Die Grundhaltung auf Konstrukt 5: Aus Fatalismus geborener Optimismus. „Alles geht den Bach hinab“ war zum Beispiel eine der ersten Zeilen, die Florentin auf den unfertigen Song gefreestylt hatte, aber daraus wurde dann eben „Alles bleibt im Fluss.“ Man darf sich von dem ganzen Irrsinn da draußen ja nicht komplett fertig machen lassen, auch wenn das nicht immer leicht ist. „Es ist gerade nicht so einfach“,bestätigt Lukas. „Kriege, Krisen, Trump, Gaza –es ist nahezu unmöglich, in diesen hochpolitisierten Zeiten leichte Stücke zu schreiben. Man will diese Themen nicht eins zu eins in seiner Kunst haben, aber sie sind natürlich automatisch ein Teil davon. Mir geht es darum, das zu verinnerlichen und nicht zu negieren, aber uns gleichzeitig eine gewisse Leichtigkeit zu erhalten.“ „Konstrukt 5“ ist insofern das überragende künstlerische Dokument eines konstruktiven Umgangs mit der Düsternis.Die Arbeit an „Konstrukt 5“ war immer auch ein Aufbäumen gegen die Umstände, ein Kampf um Schönheit und der Versuch, sich ein Stück davon zu bewahren. „Way Down Alley“ verkörpert diesen Ansatz musikalisch wie kaum ein anderes Stück,ein psychedelischer Flow, der in die Unendlichkeit führt. Dabei verdankt „Way Down Alley“seine Existenz einem kleinen Unfall: Aus Versehen hatte Florentin beim Bearbeiten des Songseine Spur falsch verschoben. „Das war eigentlich ein Fehler, aus dem dann eher zufällig etwas extrem Interessantes entstandenist“, sagt Lukas. „Von da aus haben wir das Stück gemeinsam im Studio aufgebaut, allerdings ziemlich überlegt. Was lustig ist, weil kaum ein anderes Stück so spontan und jambasiert klingt wie „Way Down Alley“.Solche spontanen Eingebungen sind für diese Band essenziell. Die Ballade „Vom Kopf der Hut“, das elegische „Die Stadt in dir“, die Spoken-Word-Meditation „Was hält dich hier?“ –diese Lieder spenden auf sanfte Weise Zuversicht, sind von einer betörenden Wehmut umflort und von superber Musikalität beseelt. Sie lassen einen weitermachen im Wissen um die Dunkelheit.„Wie schnell der Wind weht hab ich nie wirklich verstanden“, singt Lukas Kleinin dem grandios funkelnden „Wenn du jetzt gehst“, dessen Refrain man nie wieder vergisst, sobald man ihn einmal gehört hat. Aber wer versteht das schon?Der Indie-Kammerpop von Buntspecht ist von einer dystopischen Romantik, einer radikal wilden Schönheit, einer wahnsinnigen Intensität sowie von einer Aufrichtigkeit und künstlerischen Freiheit, die in diesen Tagen ihresgleichen sucht.Weil er um unsere Machtlosigkeit weiß. So spenden Buntspecht Wärme, Hoffnung in finsteren Zeiten