Howe Gelb’s Future Standards
Es begann in Amsterdam
und endete in New York City
und dazwischen,
war alles Tucson.
Um kurz die Szene zu beschreiben: ziemlich unverantwortliche Pärchen kuscheln in schummerigen halb-beleuchteten Couchecken, die Jukebox spielt alte Sinatra-Songs und da drüben sitzen so einige Leute die sich nie wieder verlieben wollen. Es ist die letzte offene Bar und der Pianist klimpert an dem etwas heruntergekommenen Flügel. Aber wir wissen: Der Typ ist großartig. So lapidar wie gekonnt lässt er Wörter wie „Iconoclast“, „apropos“, „Tumult“ und „ludicrous“ – „wahnwitzig“ in seine Songs gleiten, er nennt „Konstantinopel“ beim Namen, das ist ziemlich oldschool.
Als wären die Songs für Typen geschrieben die selber Standards gesetzt haben: Monk, Cohen, Bacharach, selbst Merle Haggard. Es sind die seelenreinigenden Zeilen und diese frei formbaren Melodien die suggerieren, dass jeder Sänger das Dutzend von amerikanischen Piano-Balladen interpretieren könne, die Songs in seine eigene Off-Beat Weltansicht einfügen und sich aneignen könne. Wer würde denn nicht gerne den Tanz mit einer Zeile wie „World peace declared, no problem spared…“ eröffnen?
Es sind „Future Standards“ des Howe Gelb Piano Trios, das hier einen anderen Aspekt der musikalischen Sozialisation Amerikas beleuchtet, ähnlich abstrakt wie das Gospel, Rhythm & Blues gefärbte „’Sno Angel“ von 2006. Jetzt ist Howe Gelb auf einem in Jazz getunkten Trip, das Genre an sich so ausweitend dass es wieder zu den Wurzeln zurückkehrt.
Um es nicht zu vergessen: Howe Gelb ist ein Künstler der Acoustic-Shows gespielt hat wo er in den Tonabnehmer singt; mit Giant Sand wird abgerockt, er hat Alternative Country neu geformt, hat einen Katalog an Alben und musikalischem Output der nicht weniger als „ein-drucks-voll“ ist. Er erfindet eine Melodie wenn er sie spielt.
Jetzt ist er auf der Suche nach einem Weg um ein wichtiges Genre in der Geschichte der Song-Konstruktion neu zu erfinden. Er wirft einen Schraubenschlüssel ins Getriebe, erdichtet Wörter wie „un-em-barkable“ und wirkt etwas wie Mose Allison auf Beruhigungsmitteln, berührt Brubeck’s Spielmuster, hält die Stellung wenn ein Django-ähnlicher Saitenhexer – Naim Amor – auf einem verlassenen Güterzug soeben in Hörweite vorbeirauscht.
Auf „Future Standards“ duettiert Howe Gelb mit der ähnlich lakonischen Lonna Kelley, wie Parton und Porter (Wagoner) im Salon der letzten Hoffnung, aufgetakelt in Rüschenhemden, nicht ganz einfach aber ziemlich verlockend. Gelb’s Piano versinkt in eine Pedal-bedrückte Umgebung, dann kündet die Kavaliers-Stimme von neuer Liebe und vergangenen Zeiten, alles in bester Tradition des American Songbooks dem er hier ganz schön clever ein neues Kapitel hinzufügt.
Es kann kaum Zufall gewesen sein dass die Sessions in der Stadt begannen wo Chet Baker aufgehört hat. Dort in Amsterdam wo mit JB Meijers als Co-Produzent die ersten Tracks für das geschrieben wurden was eigentlich eine Standard Übung sein sollte, der dann eine brillante Rhythmusgruppe besorgte als auch eigene typische Signatur des Gitarrenspiels offenlegte und Howe somit das Verständnis gab um an Bord zu springen, durch unbekannte Gewässer der vielen Noten.
Am Ende wurden die Sessions in New York City – und wo sonst – abgeschlossen, mit dem aus Tucson stammenden Drummer und Village Vanguard-Bartender Arthur Vint, nur unweit der Kreise des geschätzten Thelonious Sphere Monk.
“This is an attempt at writing a batch of tunes that could last through the ages with the relative structure of what has become known as “standards”. The likes of Cole Porter and Hoagy Carmichael done up by Frank Sinatra or Billie Holiday,” suggests Howe. “Julie London had a lot to do with it.”
“The challenge with this kind of session lies in the culmination of 3 essential elements;
1st, writing a sophisticated chord structure that allows the melody to weave beyond its confines. Something cohesive and familiar, but still alluring and uncharted.
2nd, a lyrical playfulness. The science of love revealed and reveled, the celebration and the lament, while remaining vulnerable and still intact with new knowledge of where it can only go.
3rd, an offhanded execution. To display each song as if it’s already an old standard. Keeping it intimate and communal in one go. Making it a party instead of making it precious. To deliver the lines with natural serendipity, lingering behind the beat, offering a pause in love’s resignation through resonation.
These moments of melody framed in rhythm and rhyme along the pathway reproducing the species, if only to remind us, to validate, to assure;
We never choose to fall in love .. .
It’s always love that chooses us.”
Howe Gelb’s „Future Standards“ wird am 25. November von Fire Records (Cargo) veröffentlicht.